17.12.2015

BWKG-Indikator 2/2015: Fachkräftemangel ist Realität

Piepenburg: Bund und Länder müssen gemeinsam gegensteuern

Hinweis: Korrektur im 5. Absatz, Satz 2 (17.12.2015, 17:30 Uhr)

 „Der enge Arbeitsmarkt und ihre wirtschaftliche Situation machen den Gesundheitseinrichtungen im Land aktuell am meisten zu schaffen“, fasst der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Detlef Piepenburg, zentrale Ergebnisse des aktuellen BWKG-Indikators (2/2015) zusammen. 48,4 % der Krankenhäuser, 46,9 % der Reha-Einrichtungen und 35,8 % der Pflegeeinrichtungen rechnen für 2015 mit einem Defizit.

„Der Fachkräftemangel ist keine Theorie mehr - er ist Realität! Es ist alarmierend, dass 80,9 % der Pflegeeinrichtungen Probleme haben, das notwendige Fachpersonal zu finden. Hinzu kommt nun, dass sich auch die Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen immer schwerer damit tun, Pflegefachkräfte zu finden“, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende, der gleichzeitig Landrat des Kreises Heilbronn ist. Jeweils gut 58 % der Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen haben beim BWKG-INIKATOR 2/2015 angegeben, dass es schwierig oder eher schwierig ist, freie Stellen im Pflegedienst zu besetzen. Das sind die höchsten Werte, seit diese Frage im Frühjahr 2011 erstmals gestellt wurde. Schwierigkeiten bei der Besetzung von freien Arztstellen melden 55,9 % der Krankenhäuser und sogar 75 % der Reha-Einrichtungen.

„Die Gründe für die wachsenden Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden, sind vielfältig“, so Piepenburg weiter. So steige einerseits die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften im Gesundheitswesen. Andererseits nehme das Angebot wegen der geburtenschwachen Jahrgänge ab. „Die Gesundheitseinrichtungen können auf dem engen Arbeitsmarkt im Land nur erfolgreich konkurrieren, wenn sie attraktive Arbeitsbedingungen bieten können“, stellt Piepenburg klar. Hierzu gehörten neben einer guten Bezahlung auch planbare Arbeitszeiten, Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie keine belastende Arbeitsverdichtung.

„Um eine weitere Verschärfung des Fachkräftemangels zu verhindern, müssen Bund und Länder jetzt gemeinsam gegensteuern“, fordert der Vorstandsvorsitzende. Aktuell stehen die Beratungen zum Pflegeberufsgesetz an. Mit ihm sollen die drei bislang eigenständigen Pflegeberufsausbildungen – in der Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege – in einen einheitlichen Abschluss überführt werden. Wichtig sei, dass diese sogenannte „generalistische Pflegeausbildung“ nicht dazu führe, dass die bislang überdurchschnittlichen Ausbildungskapazitäten in Baden-Württemberg abgebaut werden. „Die Ausbildung muss für die Einrichtungen leistbar bleiben. Die Finanzierung muss gesichert sein. Der neue Beruf muss dem Nachwuchs Perspektiven bieten“, so Piepenburg weiter. Da das Gesetz zustimmungspflichtig sei, müsse das Land aktiv werden, auch wenn eine tragfähige Lösung etwas länger dauern sollte. Außerdem müsse das Land – auch mit mehr Personal in der zuständigen Behörde – dafür sorgen, dass ausländische Abschlüsse schnell und unbürokratisch anerkannt werden.

Wichtig für die Attraktivität als Arbeitgeber sind vor allem auch die finanziellen Rahmen-bedingungen der Gesundheitseinrichtungen, die nach wie vor schwierig sind. Für 2015 erwarten beispielsweise 48,4 % der Krankenhäuser rote Zahlen. Vor wenigen Wochen wurde das Krankenhausstrukturgesetz verabschiedet. Es bringt zumindest ab 2017 spürbare Verbesserungen, wobei zentrale Punkte allerdings noch ausgehandelt werden müssen. „Mit Sorge blicken die Krankenhäuser auf das Jahr 2016“, macht Piepenburg klar. Grund hierfür sei, dass bislang noch kein Landesbasisfallwert für 2016 verhandelt werden konnte. Zu groß seien aktuell die Differenzen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern. Vor diesem Hintergrund sei verständlich, dass über 60 % der Krankenhäuser davon ausgehen, dass sich ihre wirtschaftliche Lage in den kommenden 12 Monaten weiter verschlechtern wird.

Auch die wirtschaftliche Situation der Reha-Einrichtungen ist nach wie vor problematisch. 46,9 % der Einrichtungen rechnen für das Jahr 2015 mit roten Zahlen. „Es ist dringend not-wendig, dass sich die Politik das Thema Rehabilitation im kommenden Jahr auf die Fahnen schreibt“, so Matthias Einwag, der Hauptgeschäftsführer der BWKG. Hier setzt die landesweite BWKG-Reha-Kampagne mit dem Motto „Umsonst ist keine Reha.“ an. Mit ihr werben die BWKG und die baden-württembergischen Reha-Kliniken für eine konsequente Politik zugunsten der Reha (www.umsonst-ist-keine-reha.de). Die BWKG sieht drei zentrale Ansatzpunkte für die Reha-Politik:

1.           Bei der Entscheidung über Reha-Anträge müssen die Kostenträger medizinische Kriterien genauso wie das Wunsch- und Wahlrecht beachten. Im Fall einer Ablehnung müssen die Gründe dem Betroffenen transparent gemacht werden. Kliniklisten oder vor-formulierte Textbausteine in Leistungsbescheiden stehen dazu im Widerspruch.

2.           Keine Reha-Steuerung nach Kassenlage: Jede medizinisch notwendige Reha muss finanziert werden. Die weiterhin bestehende Budgetierung der Reha-Ausgaben der Rentenversicherung muss aufgehoben werden. Die Ausgaben für Vorsorge und Reha-Maßnahmen in der GKV steigen deutlich schwächer als in anderen Leistungsbereichen, da es für die Krankenkassen keinen Anreiz gibt, älteren Versicherten zur Vermeidung oder Verminderung von Pflegebedürftigkeit medizinische Reha-Maßnahmen zu gewähren. Von einer erfolgreichen Reha älterer Menschen profitiert vor allem die Pflegeversicherung, die daher an den Reha-Kosten für sie beteiligt werden muss. Obwohl dies allgemein bekannt ist und die demografische Entwicklung dringenden Handlungsbedarf mit sich bringt, fehlt nach wie vor eine Gesetzesinitiative.

3.           Die aktuellen Vergütungssätze reichen nicht, um die notwendigen Reha-Leistungen zu finanzieren. Zwischen Kostenträgern und Reha-Kliniken finden oft keine Verhandlungen statt, Vergütungserhöhungen werden letztlich einseitig durch die Kostenträger bestimmt. Der Anspruch auf eine leistungsgerechte Vergütung der Reha-Leistungen muss gesetzlich festgelegt werden.

Auch die Pflegeeinrichtungen haben nach wie vor mit schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen zu kämpfen, 35,6 % der Pflegeeinrichtungen rechnen für das Jahr 2015 mit roten Zahlen. Große Sorge bereitet den Pflegeeinrichtungen im Land, dass sie ihre Investitionskosten nicht angemessen finanzieren können. Das Auslaufen der Objektförderung in der Altenpflege und die Landesheimbauverordnung haben zur Folge, dass die Einrichtungen ihre Investitionskosten neu berechnen müssen. Die bisherigen Berechnungsmodelle entsprechen nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten und müssen angepasst werden. Seit Jahren wird auf der Selbstverwaltungsebene vergeblich versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden. „Wir fordern vom Land, dass es nach der Wahl eine Verordnung zu Berechnung der Investitionskosten erlässt“, so Einwag.

Ab Herbst 2019 gilt die Landesheimbauverordnung grundsätzlich auch für bestehende Ein-richtungen in der Altenpflege und im Behindertenbereich. Ab dann dürfen in den Einrichtungen nur noch Einzelzimmer und Wohnbereiche mit max. 15 Bewohnern angeboten werden. „Die bestehenden Übergangsregelungen sind nicht ausreichend“, fordert Einwag.

 

Bei der Umfrage zum BWKG-INDIKATOR befragt die BWKG die Geschäftsführer der Mitgliedsein-richtungen (Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg) halbjährlich zu ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Situation und der Arbeitsmarktentwicklung. Das Ergebnis des BWKG-Indikators 2/2015 ist als Anlage beigefügt.

 

Ihre Ansprechpartnerin:

Annette Baumer, Referentin für Presse und Politik

Tel.: 0711 25777-45, baumer@bwkg.de