28.11.2022

BWKG-INDIKATOR 2/2022 für Pflegeeinrichtungen: Deutlicher Personalmangel und zunehmende Defizite

Scheffold: Schnelle Finanzhilfen und eine Stärkung der Personalbasis sind jetzt nötig

„Zu wenig Personal und eine unzureichende Finanzierung der Pflegeeinrichtungen führen dazu, dass immer weniger Plätze in den Pflegeeinrichtungen angeboten werden können. So wird es zusehends schwieriger, einen Platz für einen Pflegebedürftigen zu finden“, so der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Heiner Scheffold, zu den Ergebnissen des BWKG-Indikators 2/2022 für die Pflegeeinrichtungen. Im Rahmen des BWKG-Indikators werden die Geschäftsführer der BWKG-Mitgliedseinrichtungen zweimal im Jahr zu ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Situation und zur Gewinnung von Fachkräften befragt.

„Der Personalmangel in den Pflegeeinrichtungen zieht sich mittlerweile durch alle Bereiche. Zusätzlich zum Pflegefachpersonal und den Auszubildenden betrifft er mittlerweile auch die Pflegehilfskräfte,“ so der BWKG-Vorstandsvorsitzende, der auch Landrat des Alb-Donau-Kreises ist. Gerade bei den qualifizierten Hilfskräften werde der Bedarf noch weiter steigen. Denn nach den Vorgaben des Gesetzgebers werden diese künftig eine größere Rolle in der Versorgung spielen. Hinzu käme, dass es inzwischen auch in Hauswirtschaft, Technik und Verwaltung einen zunehmenden Personalmangel gibt. Wie schwierig die Situation ist, zeigen die Ergebnisse des aktuellen BWKG-Indikators deutlich: 88,8 % der Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen von Pflegeeinrichtungen geben an, dass es schwierig oder eher schwierig ist, freie Stellen bei den Pflegefachkräften neu zu besetzen. 68,8 % geben Schwierigkeiten bei der Suche nach Pflegehilfskräften an und 64,3 % haben Probleme, Ausbildungsplätze in der Pflege zu besetzen. 54,1 % berichten von Schwierigkeiten bei der Besetzung von Stellen in Hauswirtschaft, Technik und Verwaltung. All diese Zahlen sind auch im langjährigen Vergleich auf einem sehr hohen Stand.

„Die Pandemie hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr belastet. Hinzu kommt die Bürokratie, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Das zur Entlastung notwendige Personal ist auf dem Arbeitsmarkt aber nicht zu finden ist. Daher bleibt den Pflegeeinrichtungen häufig nichts anderes übrig, als ihr Angebot zu reduzieren“, macht Scheffold deutlich. Um ausreichend Personal für die stationäre Pflege vorhalten zu können, habe bereits so manche Pflegeeinrichtung ihre Tagespflege geschlossen. Schon das habe negative Folgen für die Pflegebedürftigen und reiche dennoch nicht aus. So hätten die Pflegeeinrichtungen bereits beim BWKG-Indikator im Frühjahr 2022 angegeben, dass sie nur etwa 90 % ihrer Pflegeplätze belegen können, und mittlerweile habe sich die Situation noch weiter verschärft. „Von einer, Normalbelegung´ nahe 100 % kann in den Pflegeeinrichtungen derzeit keine Rede mehr sein und das in einer Situation, in der wir eher mehr Pflegeplätze brauchen“, so Scheffold weiter.

„Wichtig ist jetzt, den finanziellen Rahmen der Pflegeeinrichtungen zu sichern und alles dafür zu tun, dass die Pflegeeinrichtung das dringend benötigte Personal auch tatsächlich finden können“, so Scheffold. Beim finanziellen Rahmen sei man von diesem Ziel weit entfernt. Eine Folge der Finanzmisere sei, dass die Zahl der Pflegeeinrichtungen, die für die kommenden zwölf Monate einen Personalabbau prognostizieren, deutlich steige. Im Frühjahr hatten lediglich 16,9 % der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von Pflegeeinrichtungen angegeben, dass sie in den folgenden zwölf Monaten von einem Personalabbau ausgehen. Aktuell sind dies mit 29,9 % deutlich mehr.

„Wenn Pflegeeinrichtungen trotz Fachkräftemangel einen Personalabbau planen, stimmt die Pflegeheimfinanzierung nicht“, so Scheffold. Nach den Zahlen des BWKG-Indikators 2/2022 wird in 42,2 % der Pflegeeinrichtungen damit gerechnet, dass sie das Jahr 2022 mit roten Zahlen abschließen werden. In der Prognose der Jahresergebnisse 2022 konnten die angekündigten Hilfszahlungen zur Bewältigung der Energiepreissteigerungen noch nicht berücksichtigt werden, da die Umfrage früher stattgefunden hat. In Aussicht gestellt seien zwei Milliarden Euro für die Pflegeeinrichtungen in Deutschland. „Die Gelder für den Ausgleich der massiv steigenden Energiekosten müssen jetzt schnell und ohne großen bürokratischen Aufwand bei den Pflegeeinrichtungen ankommen“, fordert Scheffold.

„Für die Zukunft brauchen wir einen neuen und flexiblen Mechanismus, der sicherstellt, dass unerwartete, inflationsbedingte Kostensteigerungen auch außerhalb der turnusmäßigen Entgeltverhandlungen vereinbart werden können.“, fordert Scheffold. Generell müsse die Finanzierung der Pflegeeinrichtungen auf den Prüfstand, um die Deckung laufender Kosten, aber auch Investitionen in Gebäude und Betriebsmittel zu gewährleisten. Dabei müsse aber gleichzeitig Sorge dafür getragen werden, dass die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen nicht überfordert werden.

Um sicherzustellen, dass die Pflegeeinrichtungen ausreichend Personal finden können, müssen nach Einschätzung von Scheffold die folgenden fünf Punkte dringend umgesetzt werden:

1.    Die extreme Zunahme von Bürokratie und Dokumentationen belastet die Beschäftigten in den Pflegeinrichtungen. Das erforderliche zusätzliche Personal ist weder in den derzeitigen Personalschlüsseln vorgesehen, noch auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Der längst überfällige Abbau bei der Bürokratiebelastung muss endlich angegangen werden.

2.    Für die in der Altenpflege immer wichtiger werdenden qualifizierten Hilfskräfte müssen neue Wege gegangen werden. Es braucht einen Übergangszeitraum, in dem langjährig erfahrende Hilfskräfte ohne Examen als qualifizierte Hilfskräfte gelten. Gleichzeitig muss die Ausbildung intensiviert werden.

3.    Die Ausbildung von Pflegekräften wird durch einen Mangel an Lehrenden behindert. Denn zu wenige Lehrkräfte erfüllen die gestiegenen Anforderungen, die für die Fachkraftausbildung festgelegt wurden. Das Land hat hier schon einiges getan, es braucht aber weitere Anstrengungen in Form von einer Erleichterung des Quereinstiegs, Ausnahmemöglichkeiten und einer weiteren Aufstockung von Studienplätzen.

4.    Die Gewinnung ausländischer Fachkräfte muss einfacher werden. Es ist eine deutliche Verschlankung, Digitalisierung und Automatisierung der Anerkennungsverfahren erforderlich.

5.    Der Einsatz von Leiharbeitnehmern in der Pflege muss stark begrenzt werden, z. B. in Form von Beschränkungen für den zulässigen Einsatz und die zulässigen Vergütungen.

Die Ergebnisse des BWKG-Indikators (2/2022) für Pflegeeinrichtungen sind beigefügt.

 

Ihre Ansprechpartnerin:

Annette Baumer
Referentin für Presse und Politik
Tel.: 0711 25777-45, baumer@bwkg.de