10.12.2010

BWKG-Pressemitteilung vom 10. Dezember 2010

BWKG-Indikator Herbst 2010:

Gesundheitseinrichtungen in der Zwickmühle zwischen Fachkräftemangel und unzureichender Finanzierung

BWKG legt Wahlprüfsteine für Landtagswahl vor

(Stuttgart) – Zunehmender Fachkräftemangel auf der einen Seite, unzureichende Finanzierung auf der anderen Seite: In dieser Zwickmühle befinden sich die Gesundheitseinrichtungen in Baden-Württemberg. Diesen Schluss zieht der Vorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Thomas Reumann, aufgrund der aktuellen Ergebnisse der Herbstumfrage des BWKG-INDIKA­TORS. Zum zweiten Mal waren die Geschäftsführungen der BWKG-Mit­gliedseinrichtungen nach ihren Einschätzungen zur wirtschaftlichen Situation und zur Beschäftigungsentwicklung der Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen im Land befragt worden. Zusätzlich gefragt wurde diesmal auch nach den größten Belastungen für die Einrichtungen.

Der Anteil der Einrichtungen, die in den nächsten zwölf Monaten eine Verschlechterung ihrer finanziellen Situation erwarten, hat sich laut Umfrage in Folge des soeben verabschiedeten GKV-Finanzierungsgesetzes stark erhöht. Gleichzeitig schlägt sich der zunehmende Fachkräftemangel deutlich in den Umfrageergebnissen nieder. Wie schon in der Frühjahrsumfrage rechnet eine große Mehrheit der Einrichtungen (84 Prozent der Krankenhäuser und 68 Prozent der Rehabilitationskliniken) mit zunehmenden Schwierigkeiten bei der Suche nach Ärzten. Von unter 50 Prozent auf über 60 Prozent angestiegen ist die Zahl der Krankenhäuser und Reha-Kliniken mit Problemen bei der Einstellung von Pflegekräften. Damit bewegen sie sich mit großer Geschwindigkeit auf den Wert der Pflegeheime zu (83 Prozent).

„Ein ganz zentraler Baustein, um qualifizierte Fachkräften überhaupt gewinnen zu können, ist eine ausreichende Finanzierung der Gesundheitseinrichtungen“, unterstrich der BWKG-Vorsitzende und Reutlinger Landrat Reumann. Allerdings spare die Politik mit jeder Reform bei den Gesundheitseinrichtungen. Weil diese Einschnitte es immer schwieriger machten, die Tariflöhne zu finanzieren, bleibe den Einrichtungen häufig nichts anderes übrig, als das Personal noch stärker zu belasten. Damit verlieren die Gesundheitsberufe laut Reumann deutlich an Attraktivität, „das verschärft den demographisch bedingten Fachkräftemangel weiter“. Die Einrichtungen müssten dann häufig außertarifliche Zulagen zahlen, um überhaupt noch Personal zu akquirieren.

„Das gesellschaftliche Problem des Fachkräftemangels können die Einrichtungen nicht allein lösen“, macht der Vorstandsvorsitzende deutlich. Neben einer soliden Finanzierung müsse die Politik beispielsweise die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Neuverteilung der Aufgaben zwischen den verschiedenen Berufsgruppen in den Krankenhäusern schaffen. Außerdem müssten Bürokratie und Dokumentation auf ein Minimum reduziert und die Ausbildungskapazitäten überprüft werden.

Bei den Krankenhäusern ist die wirtschaftliche Situation in 2009 im Vergleich zu 2008 unverändert geblieben. Nach wie vor haben mehr als 53 Prozent der Krankenhäuser keinen Jahresüberschuss. Zwei von fünf Krankenhäusern haben einen Jahresfehlbetrag. Von den Vergütungsverbesserungen in den vergangenen Jahren konnten die Häuser nicht profitieren, da die Kosten im gleichen Maß gestiegen sind. Fast 58 Prozent der Krankenhäuser rechnen mit der Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation in den kommenden zwölf Monaten. Vor einem halben Jahr war es nur etwa ein Drittel. „Hier werden die negativen Folgen der jüngsten Gesundheitsreform sichtbar“, betonte Reumann.

„Die Entwicklung der Krankenhausvergütung muss endlich an die Kostenentwicklung gekoppelt werden“, forderte Reumann. Dies sei den Krankenhäusern versprochen worden, werde aber noch immer nicht umgesetzt. Zumindest die zwingende Finanzierung der Tariferhöhungen sei unabdingbar. Dafür müsse sich die neue Landesregierung auf der Bundesebene einsetzen, zumal führende Bundespolitiker immer wieder deutliche Lohnerhöhungen befürworteten.

„Außerdem muss sich die Landesregierung dringend um die Geriatrische Rehabilitation kümmern“, betonte der Verbandsdirektor der Baden-Württembergi­schen Krankenhausgesellschaft, Matthias Einwag. Nach den Zahlen des BWKG-INDIKA­TORS konnte im Jahr 2009 nur eine einzige Geriatrische Rehaklinik im Land einen Jahresüberschuss verzeichnen. Acht von zehn Kliniken machten Verluste.

In den 90er-Jahren habe das Land das Geriatriekonzept etabliert, in dem die alten Menschen wohnortnah und interdisziplinär versorgt würden, sagt Einwag. Das Konzept habe sich als Erfolg erwiesen, das den Menschen helfe und auch volkswirtschaftlich sinnvoll sei. Nun werde schon lange über die zukünftige Finanzierung diskutiert. „Wenn nicht schnell eine Lösung gefunden wird, werden die bewährten Strukturen einfach wegfallen“, warnt der Verbandsdirektor. Ohne politische Einflussnahme werde es in fünf Jahren keine flächendeckende wohnortnahe geriatrische Rehabilitation mehr geben.

Alle Rehaeinrichtungen haben mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Mehr als 70 Prozent haben in 2009 keinen Gewinn verzeichnet, nur 28,6 Prozent der Rehaeinrichtungen hatten einen Jahresüberschuss. Die Kliniken müssten ebenfalls einen Anspruch auf die Vergütung der steigenden Kosten haben. Um ihre Interessen auch durchzusetzen, müsse eine Schiedsstelle eingerichtet werden.

Noch schwieriger ist die Situation der Pflegeeinrichtungen. Fast zwei Drittel hatten 2009 keinen Jahresüberschuss. Knapp 47 Prozent mussten einen Fehlbetrag verkraften. Nach wie vor erwartet etwa ein Drittel der Pflegeeinrichtungen, dass sich ihre wirtschaftliche Situation weiter verschlechtern wird. Nur etwa 14 Prozent rechnen mit einer Verbesserung in den kommenden zwölf Monaten.

Als größte Belastung nennen die Pflegeeinrichtungen die Bürokratiekosten. „Die Pflegeeinrichtungen fühlen sich von der Vielzahl an Dokumentationsverpflichtungen überfordert“, so der Verbandsdirektor. Auf der Strecke bliebe dabei Zeit, die dringend für die Versorgung der Menschen gebraucht würde. Der existierende Dokumentations-Dschungel müsse dringend durchforstet werden.

Neben der Bürokratiebelastung nennen die Einrichtungen die Diskrepanz zwischen Lohnkostenentwicklung und Vergütung sowie die Unsicherheit über immer wieder veränderte Rahmenbedingungen als größte Belastungen. Auf der Basis der Umfrage hat die BWKG Wahlprüfsteine formuliert und die Landespolitik um Stellungnahme gebeten.