13.02.2023

DKG legt Auswirkungsanalyse zu den Vorschlägen der Regierungskommission zur Krankenhausreform vor

Scheffold: Berlinzentrierte Krankenhausplanung würde baden-württembergischer Krankenhauslandschaft massiv schaden
– Krankenhausplanung muss in der Hand der Länder bleiben – Vorschläge der Krankenhäuser liegen auf dem Tisch

„Wenn die Krankenhausreform so umgesetzt würde, wie der Vorschlag der Regierungskommission das vorsieht, hätte das drastische Folgen für die Krankenhauslandschaft in Baden-Württemberg“, macht der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Heiner Scheffold, deutlich. Die Strukturveränderungen wären massiv. Das sei keine „Angstmacherei“, sondern schlicht das Ergebnis dessen, was im Papier der Regierungskommission steht. Zudem würde eine solche Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft zusätzlich horrend viel Geld kosten.

Das Bundesgesundheitsministerium hat die möglichen Folgen der Vorschläge unberücksichtigt gelassen. Daher hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft eine Folgenabschätzung beauftragt, deren Ergebnisse jetzt vorliegen:

Von den in Baden-Württemberg untersuchten 186 Krankenhäusern wären danach lediglich 33 in den Versorgungsstufen 2 und 3. Das sind die Krankenhäuser, die die enorm hohen Ansprüche der Regierungskommission erfüllen. Nur an diesen Häusern wäre künftig zum Beispiel eine Geburtshilfe vorgesehen. Für bis zu 136 Häuser wäre damit die Zukunft ungewiss: Sie würden unmittelbar der untersten Versorgungsstufe „1i“ zugeordnet, aufgrund einer zu geringen Entfernung zu einem Zentralversorger aus der Versorgungsstufe „1n“ in die Versorgungsstufe „1i“ fallen oder sind derzeit keiner Versorgungsstufe zuordenbar. Standorte der Versorgungsstufe „1i“ sind nach der Definition der Regierungskommission regionale Gesundheitszentren mit einem primär ambulanten Angebot ohne Krankenhausbehandlung und ohne 24/7 ärztliche Präsenz und entsprechen nicht dem, was bisher unter einem Krankenhaus verstanden wird. Die aktuell 17 Krankenhäuser, die aktuell in das Level „1n“ eingestuft würden, wären Basisversorger mit einem stark eingeschränkten Angebot, welche für Ärzte, Pflegepersonal und Patienten wenig attraktiv sind.

„Eine Umsetzung des Konzepts würde den Krankenhausstrukturwandel, der im Land ja schon weit fortgeschritten ist, in Frage stellen. Milliardenschwere Investitionen würden entwertet, die bestehende Krankenhausstruktur mit der vorhandenen Trägerpluralität, den Allgemeinversorgern mit einzelnen Spezialisierungen und den hochspezialisierten Fachkliniken würde ignoriert“, macht Scheffold deutlich. Denkbar sei so etwas vielleicht, wenn die Menschheit eines Tages einen Planeten neu besiedeln muss und vorab eine Krankenhausversorgung plant. „Der Beitrag der Regierungskommission taugt vielleicht in der Theorie und auf der grünen Wiese, für die Weiterentwicklung einer gewachsenen Struktur ist das Berliner Konzept dagegen schlicht ungeeignet“, so Scheffold.

„Der wesentliche Konstruktionsfehler des Konzepts ist aus meiner Sicht, dass zentralistisch aus Berlin vorgegeben werden soll, wie viele Krankenhäuser es am Bodensee, im Schwarzwald, in Freiburg und in Stuttgart geben darf und welche Leistungen diese Kliniken erbringen dürfen“, so der BWKG-Vorstandsvorsitzende, der gleichzeitig auch Landrat des Alb-Donau-Kreises ist. Solch kleinteilige Planung aus der Ferne sei zum Scheitern verurteilt. Die feste Verknüpfung der Versorgungsstufen („Level“) mit den Leistungsgruppen mache eine Planung durch das Land fast überflüssig. Das Land trage aber die Verantwortung für die Krankenhausversorgung der Menschen im Land. Dementsprechend müsse auch die Krankenhausplanung weiterhin von den Ländern verantwortet werden, denen die Aufgabe zufalle, die unmittelbare Versorgungssituation der Bevölkerung zu beachten. Die Bundespolitik solle einen Rahmen vorgeben und den Ländern bessere Instrumente für die Planung an die Hand geben. So könnten zum Beispiel durchaus auch Leistungsgruppen eingeführt werden. So etwas dürfe aber nicht zu einem neuen Bürokratie-Schub führen und 60 Leistungsgruppen dürften ausreichen. Die von der Regierungskommission vorgesehenen 128 Leistungsgruppen werden nicht umsetzbar sein.

Zu den Einzelheiten des Konzepts der Regierungskommission

„Nach dem Konzept der Kommission sind alle Krankenhäuser, die weniger als 30 Fahrminuten von Zentralkrankenhäusern entfernt liegen, potenziell bedroht“, macht Scheffold deutlich. Außerdem sollen Krankenhäuser, die die zweite Versorgungsstufe („Level 2“) nicht erreichen, nur noch eine internistische und chirurgische Basisversorgung machen dürfen, eventuell noch ergänzt um Palliativmedizin und Geriatrie. Zum Erreichen von Level 2 müssen die Krankenhäuser beispielsweise die folgenden Einrichtungen und Leistungen vorhalten: Schlaganfall-Spezialabteilung („Stroke Unit“), Geburtshilfe, Linksherzkatheter-Messplatz und ein Set weiterer Abteilungen.

„In den Städten sind große Krankenhäuser, die bislang Spitzenmedizin in einzelnen Fachgebieten erbringen, gefährdet, weil sie eben keine Stroke Unit oder keine Geburtshilfe haben. Auf dem Land dürfte es sowieso kaum ein Krankenhaus schaffen, diese enormen Vorgaben zu erfüllen“, betont der BWKG-Vorstandsvorsitzende. In Baden-Württemberg gebe es aber auch im ländlichen Bereich häufig Krankenhäuser, die einerseits Basisversorgung sicherstellen, aber zusätzlich in einigen Bereichen hoch spezialisiert sind. Diese Spezialisierungen würden bei Umsetzung des Konzepts künftig wegfallen. Ob man für derart „zurechtgestutzte“ Krankenhäuser noch Personal findet, das dort arbeiten will, sei mehr als fraglich. Außerdem gebe es im ländlichen Bereich häufig Fachkliniken – zum Beispiel für Neurologie, für Orthopädie, für Geriatrie oder zur Behandlung von Behinderten oder Parkinson-Kranken. Diese Fachkliniken, die heute einen wichtigen Beitrag zur Ver­sorgung der Bevölkerung leisten, wären auch gefährdet, da diese nach den Vorstellungen der Regierungskommission Großkliniken in den Zentren angliedert werden sollten.

Die im untersten LEVEL („1i“) eingestuften Einrichtungen sollen nach den Vorstellungen der Kommission keine Krankenhausbehandlung erbringen. Es ist keine 24/7-Arztpräsenz vorgesehen. In den Betten werden die Menschen gepflegt und nicht behandelt. „Nach unserer Überzeugung sind das keine Krankenhäuser. Es handelt sich um regionale Gesundheitszentren“, ergänzt Scheffold. Es sei wichtig, dass für diese Einrichtungen ein passender gesetzlicher Rahmen geschaffen werde. Es müsse klar geregelt werden, wie diese Gesundheitszentren finanziert und organisiert werden, wer den Sicherstellungsauftrag dafür hat und wer sie leiten darf.

Die Vorschläge der Krankenhäuser

„Wir brauchen eine Krankenhausreform, da gibt es keinen Zweifel. Die Krankenhäuser sind bereit, daran mitzuarbeiten und auch Verantwortung zu übernehmen. In Baden-Württemberg ist auch schon viel passiert und der Strukturwandel an der Tagesordnung“, so Scheffold. Die große Aufgabe der Krankenhausplanung sei es, einen Ausgleich zwischen Zentralisierung und flächendeckender Versorgung zu finden. Dass das Land und die Krankenhausträger bei dieser Aufgabe in der Vergangenheit schon sehr erfolgreich waren, zeige die Statistik: Mit 488 Betten auf 100.000 Einwohner wird die Versorgung der Bürger im Südwesten mit so wenigen Betten sichergestellt wie in keinem anderen Bundesland. Weitere Zentralisierungsschritte sind schon geplant und werden von den Krankenhäusern unterstützt.

„Ich bin überzeugt, dass die Länder auch in Zukunft die Letztentscheidung für die Krankenhausstruktur haben müssen“, unterstreicht Scheffold. Er nennt folgende zentrale Punkte, die darüber hinaus bei einer Krankenhausreform berücksichtigt werden müssten:

  • Im Zentrum der Krankenhausplanung müsse der Bedarf der Menschen stehen, die notwendigen und qualitativ hochwertigen Krankenhausleistungen in annehmbarer Zeit zu erreichen. Um das zu erreichen, sei ein gestuftes Krankenhausversorgungssystem zu befürworten. Maßgeblich für die Zuordnung eines Krankenhauses zu einer Versorgungsstufe soll der Beitrag des Hauses zur Notfallversorgung sein. Eine Einteilung in die Notfallstufen liegt durch die Notfallstufendefinition des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vor.
  • Die Länder müssen den jeweiligen Krankenhäusern Leistungspakete im Rahmen der Krankenhausplanung zuweisen. Zur Unterstützung der Krankenhausplanung der Länder soll es – wie im Kommissionsvorschlag - eine bundesweite Definition von Leistungsgruppen geben. Abweichend von der Regierungskommission hält die BWKG aus Gründen der Bürokratievermeidung eine geringere Anzahl von Leistungsgruppen für nötig (60 anstatt von 128).
  • Fachkliniken müssen weiter ihren Platz in der Krankenhausversorgung haben.
  • Die Ambulantisierung von Krankenhausleistung soll durch einen „Ambulant-klinischen Bereich“ unterstützt werden, der – nach internationalem Vorbild – eine ambulante Leistungserbringung am Krankenhaus ausschließlich durch die Krankenhäuser ermöglicht.
  • Damit der Strukturwandel geordnet voranschreiten kann, ist eine sofortige finanzielle Stabilisierung der Krankenhäuser nötig. Der Inflationsschub aus 2022 muss ebenso finanziert werden, wie die Folgen der rückläufigen Fallzahlen.
  • Für notwendige Anpassungsprozesse muss eine Finanzierung über eine Strukturfonds erfolgen. Außerdem müssen die Bundesländer endlich ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur vollständigen Finanzierung der Krankenhausinvestitionen nachkommen. 

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Ergebnisse der Auswirkungsanalyse der Vorschläge der Regierungskommission für Baden-Württemberg

Im Rahmen der Analyse mussten einige Annahmen getroffen werden und die Analyse wird mit immer neuen Daten verfeinert. Aktuell würde sich für Baden-Württemberg das folgende Bild ergeben.

Analysierte Krankenhausstandorte: 186 baden-württembergische Krankenhausstandorte

Dies sind die Krankenhausstandorte, die nach DRG abrechnen, einen Qualitätsbericht vorlegen und eine bestimmte Fallzahl erreichen. Nicht berücksichtigt wurden also rein Psychiatrische und Psychosomatische Einrichtungen und sehr kleine Einrichtungen.

LEVEL 1i und ohne Zuordnung: 85 Krankenhausstandorte

LEVEL 1n (68):

  • 17 Krankenhausstandorte erfüllen das Kriterium der Erreichbarkeit eines Krankenhauses des Level 2 oder 3 in mehr als 30 Minuten
  • 51 Krankenhausstandorte erfüllen das Erreichbarkeitskriterium nicht (Erreichbarkeit Krankenhaus Level 2 oder 3 in bis zu 30 Minuten

LEVEL 2: 12 Krankenhausstandorte

LEVEL 3: 21 Krankenhausstandorte

Wie sich der Strukturwandel der baden-württembergischen Krankenhauslandschaft entwickelt, zeigt die Homepage zum Strukturwandel, die die BWKG zur Verfügung stellt: www.krankenhausstrukturwandel-bw.de.

Ein Foto des BWKG-Vorstandsvorsitzenden finden Sie hier (Bildnachweis: BWKG/KDBusch)