22.07.2020

Was kommt nach Corona? – Forderungen der BWKG für eine zukunftsfähige Gesundheitspolitik

Piepenburg: Erste Erkenntnisse schnell umsetzen

„Das baden-württembergische Gesundheitssystem hat sich in den ersten Monaten der Corona-Pandemie bewährt. Wir müssen nun alle gemeinsam sehr wachsam bleiben, um eine zweite Infektionswelle möglichst zu verhindern, uns aber dennoch auf sie vorbereiten. Hierfür sollte schon jetzt damit begonnen werden, erste Konsequenzen aus den bisherigen Erfahrungen in der Pandemie zu ziehen“, so der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Detlef Piepenburg. Mit Blick darauf habe die BWKG zentrale Erkenntnisse und Forderungen aus Sicht der Krankenhäuser, Reha-Kliniken und Pflegeeinrichtungen zusammengefasst. „Bei allen Diskussionen und Entscheidungen, die die Gesundheitsversorgung der Menschen im Land betreffen, müssen Krisensituationen wie die aktuelle Corona-Pandemie mitgedacht werden. Das ist wahrscheinlich die wichtigste Lehre aus der ersten Welle der Corona-Pandemie der vergangenen Monate“, erklärt Piepenburg. Wichtig sei auch, dass in solchen Krisensituationen schnell und unbürokratisch gehandelt wird, was Bund und Land ja auch getan hätten, etwa mit der Beschaffung von Schutzausrüstung und der schnellen finanziellen Hilfe. „Die Krankenhäuser vertrauen weiterhin auf die politische Zusage, dass keines von ihnen durch die Corona-Pandemie finanzielle Nachteile haben wird und hierfür gegebenenfalls kurzfristig nachgesteuert wird“, so Piepenburg.

„Die föderalen und regionalen Strukturen des Gesundheitswesens waren entscheidend für die bisherigen Erfolge. Nur so konnten die Verantwortlichen vor Ort und auf der Landesebene schnell und in enger Abstimmung Lösungen finden. Gleichzeitig haben sich die Einrichtungen vor Ort schnell miteinander vernetzen und mit den örtlichen Gesundheitsämtern abstimmen können“. Deshalb müsse der in den vergangenen Jahren deutlich zu beobachtende Trend der Gesundheitspolitik, immer mehr Regelungen zentral aus Berlin vorzugeben, sehr kritisch hinterfragt werden, so der BWKG-Vorstandsvorsitzende und Landrat des Kreises Heilbronn weiter.

„Es hat sich in den vergangenen Wochen gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Kliniken als Rückgrat der Gesundheitsversorgung auch in der Krise über genügend Kapazitäten verfügen. Sie brauchen vor allem gut qualifiziertes Personal in ausreichender Anzahl, aber auch genügend Patientenbetten, Intensivplätze, medizinische Geräte, genügen Räumlichkeiten für den Infektionsschutz  und natürlich die hierfür notwendigen finanziellen Mittel“, ergänzte Piepenburg. Deshalb dürfe die Krankenhausplanung nicht ausschließlich die im „Normalbetrieb“ benötigten Betten zugrunde legen. Außerdem müsse dringend eine Reserve an qualifiziertem Intensivpersonal aufgebaut werden. Die Kliniken müssten zudem mit genug Pauschalfördermitteln ausgestattet werden, um in einer Krise schnell und unbürokratisch kleinere Investitionen tätigen zu können.

Für die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser sind auch in der Krise funktionierende Versorgungsketten unverzichtbar, ergänzt der Vorstandsvorsitzende. Mit Blick auf den vertragsärztlichen Bereich könnte die bewährte Zusammenarbeit noch weiter verbessert werden, indem auf regionaler Ebene von Seiten der Vertragsärzte verantwortliche Ansprechpartner mit einem angemessenen Durchgriffsrecht benannt würden. „An der Schnittstelle zur Pflege ist der eklatante Mangel an Kurzzeitpflegebetten erneut zutage getreten: Hier müssen die Krankenhäuser endlich die Möglichkeit erhalten, ohne bürokratische Hemmnisse selbst Kurzzeitpflege anzubieten und abzurechnen“, fordert Piepenburg. Im „Reha-Land Baden-Württemberg“ sind die Vorsorge- und Rehabilitationskliniken auch in der Corona-Krise ein wichtiger Eckstein der Versorgung. Es ist wichtig, dass die Reha-Kliniken ausreichend finanziell ausgestattet werden, um bei anderen medizinischen Anforderungen (Reha-Kliniken als Ersatz-Kurzzeitpflege-Anbieter und Ersatz-Krankenhaus) und bei krisenbedingt geringeren Reha-Verordnungen weiterhin ihren wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung der Patienten leisten zu können.

Das BWKG-Positionspapier enthält auch Bewertungen und Forderungen zum Handlungsbedarf aus Sicht der Pflegeeinrichtungen. „Die Pflegeeinrichtungen wurden von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen. Hier mussten und müssen die Bewohner als vulnerable Personengruppe geschützt werden“, so Piepenburg. Die Mitarbeiter in den Einrichtungen hatten oft kaum Zeit, die sehr kurzfristig verabschiedeten Verordnungen des Landes umzusetzen, die dann auch noch den Bewohnern und ihren Angehörigen erklärt werden mussten. Hierzu schlage die BWKG vor, im Sinne von „Wenn - Dann“-Schemata klare Zusammenhänge beispielsweise zwischen der Infektionsrate in der Region und Besuchsregelungen oder Testanforderungen in den Pflegeeinrichtungen herzustellen. Außerdem habe sich gezeigt, dass in einigen Einrichtungen die fachärztliche und zahnärztliche Versorgung verbessert werden müsse. Eine besondere Herausforderung sei zudem der Umgang mit demenziellen Patienten in Krisen, was eine enge Kooperation mit den Behörden erfordere, vor allem bei notwendigen einschränkenden Maßnahmen.

„Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld hat sich bei der Ausstattung mit Schutzausrüstung aufgetan“, macht der Vorstandsvorsitzende deutlich. Zu Beginn der Corona-Pandemie sind die üblichen Lieferwege für die Schutzausrüstung zusammengebrochen, da insbesondere China als Hauptlieferant ausgefallen ist. In vielen Einrichtungen und im niedergelassenen Bereich kam es zu Engpässen. Das Land und der Bund hatten sich in die Beschaffung von Schutzausrüstungen eingeschaltet und auch die Einrichtungen und ihre Träger mussten erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die Versorgung sicherzustellen. Die BWKG unterstützt die Bemühungen um die Einlagerung einer ausreichenden Reserve. Dies müsse in enger Abstimmung mit den Einrichtungen geschehen.

Das BWKG-Positionspapier „Was kommt nach Corona? – Forderungen der BWKG für eine zukunftsfähige Gesundheitspolitik“ ist als Anlage beigefügt.